Slugging: Wie aus Diskriminierung ein Trend wurde

Viele von euch können den Trend wahrscheinlich nicht mehr ausweichen. Slugging, also das exzessive auftragen von Petrolatum ("Vaseline") oder petroleumhaltigen Produkten, ist einer der meist diskutiertesten Trends, der seinen Ursprung, wie immer, in Rassismus hat.

Zunächst einmal müssen wir uns die Basics anschauen. Der Begriff "Slugging" ist neumodern und er taucht eigentlich alle Jahre wieder auf. Schon zu Zeiten von Vine gab es Referenzen zum "Slugging". Der Name selbst ist aber relativ neu, wenn auch schon ein paar Jahre alt.

Ursprung

Wie aus Slugging ein Trend geworden ist, ist - wie so häufig - das abschauen bei People of Color. Früher, gerade zu Hochzeiten des Rassismus, u.a. auch schon in den 60er Jahren, war es für PoC Kinder verpöhnt, trockene, raue, "graue" Haut zu haben. Kinder wurden als ungepflegt angesehen.

Um dem entgegen zu kommen benötigte es ein Mittel, dass günstig ist und bis zu einem gewissen Grad auch "versteckend" wirkt. Petrolatum war überall vorhanden und war schon bei Generationen vor den der Mütter ein beliebtes Hautpflegemittel.

Wurde Petrolatum in einer gleichmäßigen, dicken Schicht auf die Haut aufgetragen, verschwanden die rauen Partien der Haut, die wir bis heute noch unseren Ellenbogen oder Knien kennen. Man sah "akzeptabler" aus.

In vielfachen Reviews, sowie in Videos, in denen Kinder mit ihren Eltern sprechen (z.B. auch auf TikTok), wurde auf diese Form der abstrusen Diskriminierung hingewiesen. So wurden Mütter, die ihre Kinder "ashy" ("aschig") in die Haut brachten, häufig als schlechter angesehen. Um den Idealvorstellungen der Weißen besser gerecht zu werden, wurde durch das überhebliche eincremen versucht, diesen Punkt nicht länger als Angriffspunkt zu nutzen.

Die Bezeichnung "ashy" ist bis heute ein großer Teil des PoC Sprachgebrauchs. Insbesondere in Comedysendungen kann man Sätze wie "Get your ashy Ass, here" bis heute noch häufig antreffen.

@bighomieblocks we be sending our kids to school Vaseline UP 😂😂 AT lease we know they won’t be ashy 😂😂😂😂😂 #reels #comedy #funny #fyp #viral #kids ♬ Lights, Camera, ACTION! - Remix - Instrumental - Mr.Cheeks

Auch die VOGUE spricht in ihrem Artikel (engl.) über die kulturelle Siginifikanz von aschiger Haut. Der Begriff Slugging ist neumodern in dem Sinne, dass jemand dieser Anwendung einfach einen Namen geben wollte. Da man große Mengen der Petrolatum auf die Haut packt, fiel Slugging als Name passend: "klatschen" á la "Auf die Haut klatschen".

Benefits und Anwendung

Bis heute ist Slugging, oder vielmehr die Anwendung von Petrolatum ein häufig angewendetes Hautpflegemittel.

Petrolatum wirkt okkludierend, also verschließend, auf die Haut. Dadurch wird der transepidermale Wasserverlust stark gehemmt, da die Feuchtigkeit nicht aus der Petroleumschicht herausdringen kann.

Studien haben Petrolatum selbst aber auch hautpflegende Eigenschaften zugeschrieben. Petrolatum kann der Haut bei der Heilung helfen, spendet selbst Feuchtigkeit und ist dank des fehlens von Allergenen nahezu vollständig reizfrei. Petrolatum ist günstig, fällt bei der Produkten von Erdölpräparaten so oder so an und ist zudem in jedem Discounter, Supermarkt und jeder Drogerie erhältlich. Mit Preisen von gerade einmal drei Euro je 100g ist Petrolatum ein günstiges Hautpflegemittel, dass von allen Generationen angewendet werden kann.

Die Anwendung macht den Unterschied

Auf TikTok, Instagram und Co. wird Slugging häufig falsch angewendet. Slugging ist alleine oder über anderer Hautpflege möglich, z.B. Seren oder wirkstoffhaltigen Cremes. Dazu wird maximal die Größe einer Fingerkuppe auf das gesamte Gesicht, Hals und Dekolleté angewendet. Mehr ist nicht nur unnötig, sondern eine Mehrbelastung der Haut.

Desinformationen und Aufklärung

Petrolatum wird jedoch auch eine Vielzahl von Negativität entgegen gebracht. Nahezu alles basiert auf Voreingenommenheit. Für diesen Beitrag haben wir uns mit mehreren Studien und unabhängigen Zusammenfassgungen befasst. Eine große Referenz ist Petroleum jelly: A comprehensive review of its history, uses, and safety, DOI 10.1016/j.jaad.2023.06.010 nicht öffentlich abrufbar. Außerdem die Risikobewertung des BfR.

Kurz zusammengefasst kann mitgeteilt werden, dass Petrolatum in vielfachen Anwendungen (Arzneikosmetika, Wundversorgung, Dekorative Kosmetik (Puder, Foundations, et. al.)) sogar besser abschneidet als pflanzliche Öle, z.B. aus Bäumen, Pflanzen, Blüten, Wurzeln oder Zwiebeln. Die insgesamte Toxizität ist tatsächlich auch weniger vom Mineralöl abhängig, sondern davon, wie der Rest des Endverbraucherproduktes formuliert wurde. Enthält ein Produkt beispielsweise bekannte Allergene, wie Duftstoffe oder ätherische Öle, ist das Risiko erheblich höher, eine allergische Reaktion zu haben. In vielen Anwendungsbereichen ist Petrolatum bis heute das Mittel der Wahl.

Die häufigsten Annahmen

Petrolatum sorgt für Pickel
Diese Annahme ist vollständig falsch. In Studien konnte sogar festgestellt werden, dass Produkte, wie Petrolatum, Papeln und Pusten reduzieren, sowie die Häufigkeit und die Intensität von Ausbrüchen der Akne mildern konnten.

Petrolatum ist gesundheitsschädlich/toxisch
Diese Annahme ist vollständig falsch. Es gibt keine belegbaren Daten für diese Behauptung. Auch das BfR kommt abschließend zu dem Ergebnis, dass eine gesundheitsschädigende Wirkung durch Petrolatum "unwahrscheinlich" ist.
BfR: "Die akute Toxizität von Mineralöl-Destillaten ist gering; so zeigte beispielsweise eine einmalige orale Dosis von 5 g/kg KG eines 100 % Paraffins bei Ratten keine adversen Effekte (CIR 1984)."

Petrolatum löst Allergien aus
Diese Annahme ist vollständig falsch. Allergische Reaktionen auf Petroleumgele, wie Petrolatum, sind extrem selten. Es ist extrem unwahrscheinlich, jemals eine allergische Reaktion auf Petrolatum beobachten zu können.

Petrolatum reduziert die Eigenheilung der Haut
Diese Annahne ist vollständig falsch und gesundheitsschädigend. Petrolatum gilt als Mittel der Wahl bei der Versorgung von Wunden, trockener Haut, Ekzemen und insbesondere therapieresistenten, trockenen Hautzuständen. Petrolatum erhöht die Konzentration der Feuchtigkeit in der Haut, stärkt die Hautschutzbarriere und regt die Haut zur Heilung an.

Petrolatum sollte nicht von Kindern verwendet werden
Diese Annahme ist vollständig falsch. Es gilt sogar das Gegenteil: Mineralöle werden bei der Baby- und Kinderpflege, z.B. in Babyöls sogar bevorzugt. Grund hierfür ist, dass sie weder reizend, noch allergenisierend wirken. Unverträglichkeiten sind deutlich höher bei Produkten, die pflanzliche Öle enthalten. Grund hierfür ist vor allem, dass in so frühen Jahren in der Regel noch keine Allergene getestet werden. Wichtig anzumerken ist jedoch, dass dies ausschließlich Petrolatum und Mineralöle betrifft, die nicht parfümiert wurden.

Anreichungen im Körper
Aromatische Kohlenwasserstoffe ("MOAH") stehen in der Kritik, weil sie sich im Körper anreichern können. Jedoch kommt das BfR zu folgenden Ergebnissen:

    • (...) Die altersabhängige Zunahme der mittleren MOSH-Konzentration deutet auf eine Anreicherung von MOSH über die Zeit im Fettgewebe hin. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass ältere Generationen in jüngeren Jahren in höherem Maße gegenüber Mineralölen über die Nahrung exponiert waren als jüngere Generationen, was neben der Anreicherung über die Zeit zusätzlich die Höhe des Anstiegs mit erklärt. Entzündliche granulomatöse Veränderungen in der Leber von Fischer 344 Ratten sind ein adverser Effekt, der bisher ausschließlich in diesem speziellen Rattenstamm zu beobachten war.
    • Weder mittel- noch hochviskoses Weißöl in Lebensmittelqualität erwies sich in vivo als kanzerogen (Trimmer et al. 2004, EFSA 2009, 2013a)
    • Nach JECFA waren in einer 2-Jahres-Fütterungsstudie an Sprague-Dawley Ratten mit Paraffinwachsen ähnlicher Viskosität (Dosis bis 5800 mg/kg Körpergewicht und Tag) keine kanzerogenen Effekte nachweisbar (Shubik et al. 1962). Unter Berücksichtigung der Ergebnisse für mittel- und hochviskose Weißöle (Trimmer 2004) schlussfolgert die EFSA, dass es für die mikrokristallinen Wachse in Lebensmittelqualität keine Hinweise auf ein kanzerogenes Potential gibt (EFSA 2013b).

In Studien zu dermalen Penetration mit radioaktiven Tracern wurde weder in vitro in der Rezeptorflüssigkeit noch in vivo im Blut Radioaktivität detektiert. Wenn auch hier der Beobachtungszeitraum nicht über 48 Stunden hinausging, so scheinen MOSH über die dermale Expositionsroute kaum systemisch verfügbar zu werden. Einerseits ist offensichtlich, dass MOSH sich im Körper insbesondere durch die Aufnahme über den Gastrointestinaltrakt anreichern können, andererseits gibt es keine eindeutigen Befunde, dass Kosmetika über eine dermale Absorption dazu relevant beitragen würden.

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Dieser Inhalt wurde veröffentlicht am Donnerstag, den 22.02.2024 und zuletzt bearbeitet am Dienstag, den 20.02.2024 00:08. Hinweise zu dieser Angabe findest du in den Allgemeinen Hinweisen.

ÜBER Eileen Pahl

Diese/r Autor/in wurde am 22.01.1995 geboren, hat empfindliche Mischhaut im Gesicht, Akne Typ 1, sowie Neurodermitis (atopische Dermatitis) am Ober- und Unterkörper i.V.m. trockener Haut. Die Haare sind kurz (Undercut), blond, gefärbt, chemisch behandelt und trocken.